Abwehrkampf und Selbstbehauptung
Das Jüdische Antifaschistische Komitee in der Sowjetunion Vortrag und Diskussion mit Erich Später Am 24. August 1941, zwei Monate nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion, versammelten sich bekannte jüdische Persönlichkeiten im Sendebüro des Moskauer Rundfunks, um die Gründung des Jüdischen Antifaschistischen Komitees (JAK) bekanntzugeben. In eindringlichen Appellen, die in jiddischer Sprache verlesen wurden, forderten sie die internationale jüdische Gemeinschaft auf, die Sowjetunion in ihrem Überlebenskampf zu unterstützen. Insgesamt mehr als die Hälfte der europäischen Jüdinnen und Juden lebte zu dieser Zeit in der Sowjetunion. Ihre ausnahmslose Vernichtung war eines der zentralen Kriegsziele des Deutschen Reiches. Mit dem JAK verfügte die jüdische Bevölkerung der SU seit vielen Jahren wieder über eine offizielle Vertretung, die durch die jiddische Wochenzeitung „Ejnikajt“ sowohl zur Schaltstelle zwischen dem Hinterland und den zahlreichen jüdischen SoldatInnen in den Reihen der Roten Armee, als auch zum politischen und kulturellen Zentrum eines sowjetischen Judentums wurde, das zwischen patriotischem Selbstverständnis und neu erwachtem jüdischem Selbstbewusstsein keinen Widerspruch empfand. Auch die internationalen Anstrengungen des JAK waren überaus erfolgreich: Nicht nur in den USA, wo es im Sommer 1943 während einer Reise der Führungsmitglieder zu überwältigenden Kundgebungen der Solidarität kam, sondern in fast allen wichtigen jüdischen Zentren – Großbritannien, Kanada, Australien und vielen Ländern Lateinamerikas – entstanden Komitees, die sich der Unterstützung der sowjetischen Gesellschaft und der Roten Armee verschrieben. Nach der siegreichen Beendigung des Krieges erwartete die jüdische Bevölkerung der SU – auch aufgrund der immensen Opfer, die sie bei der Verteidigung erbrachte und als Anerkennung für die Verdienste als SoldatInnen, PartisanInnen oder ZivilistInnen im Kampf gegen die deutsche Invasion – eine Unterstützung des stalinistischen Regimes bei der Bewältigung ihrer oft katastrophalen Lage, eine entschiedene Bekämpfung des Antisemitismus und den Erhalt der im Krieg gewährten politischen und kulturellen Spielräume auf Dauer. Diese Erwartung sollte bitter enttäuscht werden.
Erich Später ist ausgebildeter Buchhändler und hat in Berlin und Saarbrücken studiert. Er arbeitet für die Heinrich Böll Stiftung und schreibt regelmäßig für Konkret. Letzte Buchveröffentlichung: »Villa Waigner. Hanns Martin Schleyer und die deutsche Vernichtungselite in Prag«, Hamburg 2009. Eine Veranstaltung in Kooperation mit:
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